Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 1974 in der Chronik
Die OPEC hebt zwar das 1973 verhängte Ölembargo gegen die westlichen Länder auf, doch ist das Jahr 1974 noch stark durch die Nachwirkungen der Ölkrise beeinflusst. Das Weltwirtschaftswachstum sinkt 1974 gegenüber dem Vorjahr um über 5 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent gleichzeitig steigt die Inflationsrate stark an und die Arbeitslosenquote erhöht sich in den Industrienationen.
Auch in Deutschland gibt es eine Konjunkturkrise begleitet von einer Stagflation. Mit der Ölkrise und dem damit verbundenen Wirtschaftsabschwung schwinden beim deutschen Bundeskanzler Willy Brandt die Zuversicht und der Glaube an die Steuerbarkeit des Wirtschaftsgeschehens. Der gesundheitlich angeschlagene und unter Depressionen leidende Willy Brandt zeigte politische Ermüdungserscheinungen. Der Visionär Brandt blieb ohne politische oder gar reformpolitische Zielvorgaben und zeigte im Kabinett plötzlich Führungsschwäche. Bereits Ende September 1973 kritisierte der SPD Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner öffentlich die Führungsschwäche Willy Brandts ("Der Herr badet gerne lau"). Das Arbeitsklima in der Führungsspitze der sozial-liberalen Koalition verschlechtert sich zusehends. Obwohl der Kanzler sich im Vorfeld gegen einen zweistelligen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ausgesprochen hatte, rang ihm der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) Kluncker eine Lohnsteigerung von 11 Prozent ab. In seinem Frühjahrsbericht übt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung heftige Kritik an der deutschen Bundesregierung und spricht von einer Fehlentwicklung der finanzpolitischen Maßnahmen. Und auch der SPD Stimmenverlust von über 10 Prozent und der damit verbundenen Verlust der absoluten Mehrheit bei der Hamburger Bürgerschaftswahl wird als Quittung für die Bundespolitik unter Kanzler Brandt angesehen. Die Enttarnung einer der engsten Mitarbeiter von Bundeskanzler Brandt, dem Referenten für Parteiangelegenheiten Günter Guillaume, als DDR-Spion, löst in der Bundesrepublik eine innenpolitische Krise aus. Insbesondere der Präsident des Bundeskriminalamts Horst Herold und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Günther Nollau befürchten, die DDR habe belastendes Material über Brandts Lebenswandel, dem zahlreiche Affären mit Frauen und Alkoholprobleme nachgesagt wurden. Resigniert erklärt Willy Brandt am 6. Mai 1974 seinen Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers. Neuer Bundeskanzler wird der bisherige starke Mann im Kabinett der Finanzminister Helmut Schmidt. Er wird am 16. Mai vom Bundestag zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Und auch im Präsidialamt der Bundesrepublik gibt es einen Wechsel: Walter Scheel wird am 15. Mai von der Bundesversammlung als Nachfolger von Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten gewählt. Innerhalb von nur zwei Tagen wechseln damit im Mai 1974 sowohl das Staatsoberhaupt als auch der Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland. Doch nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen führenden westlichen Industrienationen kommt es 1974 zu einem Wechsel an der Spitze des Staates. In Großbritannien tritt der konservative Premierminister Heath nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit den Liberalen zurück und die Labour Party mit Premierminister Harold Wilson übernimmt die Regierung. Frankreichs Staatsoberhaupt Präsident Georges Pompidou verstirbt, an der Morbus Waldenström Krankheit leidend, überraschend im Amt. Zum neuen Präsidenten wird Valéry Giscard D’Estaing gewählt. Auch in Österreich verstirbt das Staatsoberhaupt Bundespräsident Franz Jonas im Amt. Nachdem Bundeskanzler Bruno Kreisky vorübergehend das Amt übernimmt, wird Rudolf Kirchschläger zum neuen österreichischen Bundespräsident gewählt.
Und auch in den USA gibt es einen ungeplanten Machtwechsel: Erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss ein Präsident von seinem Amt zurücktreten. Nachdem in der Watergate-Affäre immer mehr belastendes Material gegen US Präsident Nixon bekannt wird und das Oberste Gericht der USA Nixon zur Herausgabe von Tonbändern verurteilt, wird schließlich das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten Nixon eingeleitet. Nixon kommt der drohenden Amtsenthebung zuvor und verkündet in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt vom Amt des US-Präsidenten. Neuer US Präsident wird der bisherige Vizepräsident Gerald Ford. Und auch die israelische Regierungschefin Golda Meir muss, wegen der hohen israelischen Verluste im Jom-Kippur-Krieg, im April 1974 zurücktreten. Der Konflikt im Nahen Osten wird schließlich durch den Einmarsch amerikanischer Truppen sowie durch die Waffenstillstandsresolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen entschärft. Im Norden Zyperns beginnt mit dem Einmarsch und der Besetzung durch türkische Truppen der Zypernkrieg. In Portugal kommt es zur Nelkenrevolution. Teile der Armee putschen gegen die autoritäre Diktatur und weisen damit den Weg zur Demokratie in Portugal. Von der jubelnden Bevölkerung wurden den aufständischen Soldaten aus Freude rote Nelken - als Symbol der sozialistischen Arbeiterbewegung, an die Uniformen und in die Gewehrläufe der aufständischen Soldaten gesteckt. Doch das eigentliche Ereignis in Deutschland ist die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, bei der erstmals beide deutsche Mannschaften Aufeinandertreffen und die Bundesdeutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal nach 1954 viel umjubelter Fußball Weltmeister wird.
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